Zu einer Zeit, wo die Einschränkungen aufgrund der Coronakrise auf ein Mindestmaß reduziert waren, wurde seitens der Gemeindeführung erstmals eine Beschlussfassung des Gemeinderates im Umlaufweg veranlasst.
Ist das zulässig?
Mit einem Gesetzesbeschluss des niederösterreichischen Landtages vom April 2020 wurde eine Änderung der NÖ Gemeindeordnung beschlossen, welche eine Beschlussfassung im Umlaufweg (zeitlich befristet bis Ende Dezember 2020) oder per Videokonferenz (zeitlich unbefristet) ermöglicht. Voraussetzung dafür ist das Vorliegen außergewöhnlicher Verhältnisse (z.B. das tägliche Leben einschränkende Maßnahmen nach dem Epidemiegesetz oder Katastrophen)!
Nun wurde im Juni bereits eine physische Sitzung des Gemeinderates im Gemeindeamt unter Einhaltung der Abstandsregeln problemlos durchgeführt. Warum dann also eine Sitzung im Umlaufbeschluss im August 2020? Eine Nachfrage zur Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens ergab, dass die Möglichkeit einer Beschlussfassung im Umlaufweg zwar besteht, aber Veranstaltungen bis 500 Personen in geschlossenen Räumlichkeiten erlaubt sind und daher ein Widerspruch zur Sinnhaftigkeit der Regelung in der NÖ Gemeindeordnung besteht. Daher ist davon auszugehen, dass die gegenständliche Regelung in der NÖ Gemeindeordnung verfassungswidrig ist. Solange sie aber nicht beim VfGH angefochten und von diesem behoben worden ist, gehört auch eine verfassungswidrige Regelung dem Rechtsbestand an und kann angewendet werden.
Welche Beschlüsse wurden gefasst?
Mit den Stimmen von ÖVP und Grünen wurden u.a. die Unterstützung der Gastronomiebetriebe in der Gemeinde durch eine Gutscheinaktion für jeden Haushalt, die Straßenbezeichnung „Am Hirschenkogel“ für die Aufschließungsstraße der ehemaligen „Kriegergründe“ und Dienstbarkeitsverträge für die Verlegung der Fernwärmeleitungen im öffentlichen Gut beschlossen.
Aber auch der Beschluss der Vorverträge für den Ankauf des Grundstücks für einen künftigen Nahversorger in Sulz durch die Gemeinde war Teil der Beschlussfassung. So wurde der Ankauf des Grundstücks der Familie eines ÖVP-Gemeinderates zum Preis von €13 pro Quadratmeter für großteils Grünland und landwirtschaftliche Nutzfläche ohne Diskussion im Gemeinderat ermöglicht. Zum Vergleich: Die Basispreise für landwirtschaftliche Grundstücke belaufen sich in unserer Gemeinde (Stand 2015) auf ca. €3 pro Quadratmeter.
Keine Unterstützung dieser Beschlüsse durch Opposition
Die teilnehmenden Gemeinderäte der SPÖ und der WWA haben sich mit Ausnahme des Beschlusses zum Grundankauf (1 Stimme der SPÖ dafür) bei allen Beschlüssen der Stimme enthalten. Dies, weil auf diesem Wege keine Diskussion zu einzelnen Punkten möglich war und so auch keine offenen Fragen geklärt werden können. Zudem sehen wir derzeit keine Notwendigkeit einer Beschlussfassung im Umlaufweg.
Umlaufbeschlüsse gerechtfertigt?
Beschlüsse im Umlaufweg setzen wesentliche Rechte der Opposition außer Kraft. In normalen Sitzungen der Gremien ist die Präzisierung der Anträge, das Stellen von Abänderungs- oder Dringlichkeitsanträgen möglich. Vom Rede– oder Fragerecht kann Gebrauch gemacht werden. Die Bevölkerung kann an öffentlichen Sitzungen teilnehmen.
All das ist bei Beschlüssen im Umlaufweg nicht gegeben. Daher hat der Gesetzgeber diese Art der Beschlussfassung nur unter außergewöhnlichen Verhältnissen vorgesehen.
Diese waren im August, wo Großveranstaltungen ohne Einschränkungen stattfinden konnten, nicht gegeben. Zudem verfügt die Gemeinde über ausreichend Räumlichkeiten, (z.B. VAZ, Volksschule) um Sitzungen auch unter Einhaltung der Abstandsregelungen und der Einbindung der Bevölkerung durchzuführen.
Auch die Abhaltung von Videokonferenzen ist möglich, um die grundlegenden demokratiepolitischen Rechte sicherzustellen.
Aussendung 63, September 2020